Softwareentwicklung in Indien: Ein Insider verrät, wie man damit wirklich sparen kann

Lohnt es sich als Startup die Softwareentwicklung in Indien machen zu lassen? Ein Insider verrät, wie man damit wirklich sparen kann.
Softwareentwicklung in Indien: Ein Insider verrät, wie man damit wirklich sparen kann
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Gastbeitrag aus dem Jahr 2019 von Sascha Thattil. Sascha hat die Firma YUHIRO gegründet. Seit 2012 stellt das Unternehmen überwiegend Startups, Agenturen, Softwareunternehmen und IT Abteilungen Softwareentwickler aus Indien auf dedizierter Basis bereit. Die Niederlassung befindet sich in Kochi, Kerala.

Schon immer wollte ich etwas im Bereich Softwareentwicklung und Entrepreneurship machen. Schon früh sah ich Potential im Outsourcing von Softwareentwicklung nach Indien. Es schien günstiger als eine Entwicklung in Mitteleuropa. Nach meinem Studium fing ich dann zunächst bei einem bekannten Softwarehersteller für Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme an, bevor ich dann im Jahr 2011/ 2012 mein eigenes Unternehmen gründete. Beim Indien-Plan bin ich geblieben: Aus Kostengründen startete ich das Unternehmen YUHIRO in Indien. Mit YUHIRO bietet ich Softwareentwickler in unserer Niederlassung in Indien für Startups, Agenturen, IT Dienstleister und IT Abteilungen an. In diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, wann es Sinn macht für ein Unternehmen nach Indien outzusourcen und wann nicht. Im besten Fall lassen sich so kostspielige Fehler vermeiden.

Der Start

Aller Anfang ist schwer. Am Anfang hatte ich keine eigenen Mitarbeiter und arbeitete aus dem Homeoffice heraus. Jedoch war ich da bereits in der Lage IT Outsourcing Projekte aus Deutschland zu bekommen. Mit der Zeit baute ich ein eigenes Büro auf, in welchem heute hauptsächlich indische Softwareentwickler arbeiten.

Attraktiv schien das für die Kunden dennoch. Denn eine gute Möglichkeit online Geld zu verdienen ist, sein eigenes Online Tool (also eine SaaS) zu entwickeln und auf Monats- oder Jahresbasis zu verkaufen. Was viele davon abhält, sind die hohen Entwicklungskosten. Denn ein guter Entwickler aus Deutschland möchte mindestens 4000 Euro im Monat und mehr verdienen. Inklusive Kosten für Büroraum, Steuern, etc. kommt man schnell auf 6000 Euro und mehr im Monat.

Zählt man dann noch die Einstellungs- und Einarbeitungskosten hinzu, kommen noch viel höhere Beträge zusammen. Diese hohen Beträge werden von gut laufenden Agenturen, IT Dienstleistern und IT Abteilungen in großen Konzernen gerne bezahlt. Für Selbstständige, Digitale Nomaden und Kleinunternehmer ist das jedoch nicht immer eine Option, oder besser gesagt, sehr selten. Eine Möglichkeit, die immer mehr Digitale Nomaden und Startups sehen, ist daher die Möglichkeit Ihre Sofwareentwicklung in Indien tätigen zu lassen. Das sind meine Erfahrungen seit 2012 dazu.

Startups sind oftmals nicht erfolgreich mit Offshore Outsourcing

Mit Offshore Outsourcing ist das Outsourcing von IT Dienstleistungen nach "weit weg" gemeint. Zum Beispiel nach Pakistan, Indien, China, Malaysia und ähnlichen Ländern, weil dort die Kosten meistens geringer sind und es vergleichsweise viele Entwickler gibt. Was ich jedoch gemerkt habe ist, dass viele Unternehmen (besonders Startups) nicht erfolgreich mit diesem Konzept sind.Das sind einige Gründe dafür:

  1. Fehleinschätzung des Marktpreises: In Deutschland weiss man dass, wenn man einen einigermaßen guten Freelancer aus dem IT Bereich benötigt und einen Stundenlohn von zirka 70 bis 90 Euro einplanen muss. Bei nur 30 Euro Stundenlohn kann meistens irgendetwas nicht stimmen. Oftmals handelt es sich um einen Studenten oder einen festangestellten Entwickler, der sich etwas hinzuverdient. Grobe Fehler sind eine gängige Folge.
  2. Falsches Zusammenarbeitsmodell: Die wichtigsten Zusammenarbeitsmodelle sind
  • Festpreis (Wasserfall-Methode)
  • Agile (Agile Softwareentwicklung)
  • Dedizierter Entwickler.

    Ein Festpreis lohnt sich nur bei sehr kleinen Projekten. Agile Entwicklung lohnt sich nur bei großen Projekten von größeren und finanzstarken Firmen. Das dritte Modell (Dedizierter Entwickler) lohnt sich schon eher, setzt jedoch voraus, dass man jemanden auf der eigenen Seite hat, der die Code Qualität überprüfen kann, die der indische Entwickler abgibt. Es ist wichtig, dass jemand vor Ort das Projekt leitet. Viele Startups verfallen der Option einen Festpreis im mittleren 4-stelligen Bereich zu vereinbaren. Das klappt dann in den meisten Fällen jedoch nicht. Auch nicht in Deutschland, by the way.
  1. Fehlende Ausdauer: Es wirkt ein wenig wie eine moderne westliche Beziehung. Niemand will sich vorab festlegen (zum Beispiel wenn es um das Thema Heirat geht). Lieber immer testen. Es ist jedoch wichtig eine langfristige Kooperation mit dem indischen IT Dienstleister oder dem Entwickler einzugehen. Nur so entsteht dass notwendige Commitment auf allen Seiten, um auch eine konstant gute Leistung zu bekommen. Zudem braucht die Entwicklung von Cloud-Anwendungen im Schnitt mindestens 1 Jahr und länger (je nach Umfang natürlich).
  2. Fehlendes Budget: Die meisten Startups haben nun mal noch keinen großen Cashflow aus bestehenden Geschäften und versuchen die Entwicklung aus der eigenen Tasche zu finanzieren. Das klappt in den wenigsten Fällen. Im besten Fall gibt es bereits einen gewissen, stabilen Umsatz, oder Investoren, die die Kosten übernehmen können. Wer einen langen Atem hat, kann natürlich auch per Bootstrapping zum Ziel kommen. In dem Fall sollte allerdings ein Co-Founder ein Entwickler sein.

Die Lösung

Für Startups ist der beste Weg immer noch einen CTO zu haben, der die Programmierung übernimmt und als Gesellschafter am Unternehmenserfolg beteiligt wird (Bootstrapping).

Das Ziel: aus den ersten Umsätzen mit Software Subscriptions ein Gehalt zahlen zu können, um von dort aus das Unternehmen zu skalieren. Das wäre dann auch der Zeitpunkt, ab dem man sich nach einem indischen Softwareentwicklungsteam umschauen könnte. Die aus meiner Sicht beste Variante ist, einen dedizierte Entwickler (Dedicated Developer) zu finden. In dem Fall arbeitet man direkt mit den Entwicklern zusammen und vermeidet eine Blackbox, wie es so oft in Softwareprojekten passiert. Unbedingt vermeiden, nur mit dem Projektleiter - oder noch schlimmer - dem Vertrieb des Dienstleisters zu sprechen.

Tipp zu den Kosten

In dem Punkt Fehleinschätzung des Marktpreises habe ich bereits die Thematik des Preises angesprochen. Die Hoffnung ist meistens eine hohe Qualität bereits für 5 US Dollar pro Stunde zu bekommen. Leider trifft dies auf den globalen IT Dienstleistungsmarkt (auch bei IT Dienstleister aus Indien) nicht zu. Deshalb gebe ich hier eine grobe Richtlinie zu den Preisen.

Festpreis:

Beim Festpreis kann man davon ausgehen, dass ein professioneller Anbieter einen Festpreis nur dann anbietet, wenn die Anforderungen klar umrissen sind und es sich um ein überschaubares Projekt handelt.

Beispiel: Eine WordPress Website mit 10 Seiten, basierend auf einem WordPress Template. Die Texte und Bilder werden vom Kunden geliefert. Solche Festpreis Projekte können auch bei kleineren Online Shop Projekten und ähnlichen Sinn machen. Der Stundensatz liegt hier bei zirka 35 US Dollar. Häufig wird zwar mit niedrigeren Stundensätzen geworben, in der Praxis werden aus meiner Erfahrung häufig jedoch mehr Stunden abgerechnet, um das den geringen Lohn zu kompensieren.

Agile Softwareentwicklung:

Hierbei wird oftmals das komplette Projekt abgegeben. Das bedeutet, der Projektleiter, der Teamlead, die Entwickler und Tester werden vom Dienstleister in Indien gestellt. Da hierfür jedoch ein ziemlich ausführliches Pflichtenheft und ein flexibles Budget erforderlich sind, macht dieser Ansatz eher für mittlere und große Unternehmen oder Agenturen sinn. Auch größere Softwareunternehmen können von diesem Modell profitieren. Für Startups ist das jedoch ziemlich ungeeignet. Der Stundensatz liegt hier im Schnitt zwischen 30 US Dollar und 60 US Dollar (ja, ich spreche hier von Indien :) )

Dedizierter Entwickler:

Hier wählt man gemeinsam mit dem Softwareentwicklungs-Unternehmen aus Indien einen Programmierer aus, welche dann ausschließlich für den jeweiligen Kunden arbeitet. Da die Projektleitung vom Kunden übernommen wird, sind auch die Preise pro Stunde niedriger. Mit zirka 15 bis 25 US Dollar (bei Vollzeitauslastung/ 160 Stunden im Monat) sollte man bereits gute Coder erhalten. Das kann sich für die Startups lohnen, die bereits über einen gewissen Cashflow verfügen.

Kulturelle Unterschiede

Ich war am Anfang tatsächlich von sehr großen kulturellen Unterschieden ausgegangen. Besonders das mit dem indischen Englisch und auch der traditionellen Art der Inder gab mir zu Denken. Nach einer Weile merkte ich jedoch: Die meisten Entwickler dort haben bereits irgendwann mal mit Kunden aus Europa oder Amerika zusammengearbeitet. Meistens irgendwo aus den Niederlanden, Großbritannien oder den USA. Zudem hat sich auch der Lebensstil angepasst. Wie in Deutschland auch, geht eine Person in Indien gerne mal zu McDonalds, bleibt über Facebook in Kontakt mit der Welt, unterhält sich via WhatsApp, präsentiert sich auf Instagram und schaut die neuesten Youtube Videos (Stichwort: PewDiePie versus T-Series).

Zum Akzent im Englischen: Wenn man mit dem Programmierer für ein paar Tage spricht, versteht man diesen schon sehr gut. Nur am Anfang habe ich häufig darum gebeten etwas langsamer und lauter zu sprechen. Die meisten IT Experten in Indien haben hauptsächlich auf englischsprachigen Schulen und Colleges gelernt und auch bei der Arbeit ist oftmals Englisch gefordert. Somit sind die Sprachfähigkeiten weniger die Herausforderung, als der Dialekt. Denn es treffen ja zwei Nicht-Englisch-Muttersprachler aufeinander.

Anforderungen richtig mitteilen

Noch ein Tipp zu den Anforderungen zu der Software- oder Webanwendung, welche man an den IT Dienstleister oder das Team in Indien weitergibt. Es ist besser das Ganze auch visuell darzustellen, zum Beispiel als Screenshots von bestehenden Applikationen/ Beispiel Anwendungen, als Skizze auf einem Blatt Papier (gescannt zuschicken) oder als rudimentäre Paint Datei. Ausschliesslich gesprochene Anforderungen werden oftmals unterschiedlich verstanden. Besonders wenn zwischen dem Entwickler und dem Kunden noch mittler stehen (z.B. der IT Projektleiter und der Team Lead).

Konzept und Design besser Inhouse/ in Europa

Ich habe auch gelernt, dass es besser ist Konzept und das Design Inhouse zu erstellen, d.h. nicht beim Softwareunternehmen in Indien. Besonders im Bereich Design, User Experience Design und User Interface Design sind die Kapazitäten in Indien eher durchschnittlich. Dafür im Bereich Backend Entwicklung umso stärker.

Fazit

Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, ob man mit Softwareentwicklung in Asien sparen kann: Es kommt darauf an. Wer für 5 US Dollar die Stunde zum Festpreis mit 4000 US Dollar Budget ein komplettes Online Tool bauen möchte, der wird höchstwahrscheinlich scheitern. Wenn man jedoch über einen bestehenden Cashflow oder Investoren verfügt und weiss, dass gute Softwareentwicklung Zeit braucht, der kann damit sehr wohl erfolgreich sein und auch mit diesem Offshore Outsourcing Ansatz ordentlich Geld sparen. Was sind Eure Erfahrungen?

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